Dankesrede von Gabriela Sperl, Preisträgerin 2022

Rede von Dr. Gabriela Sperl
anlässlich der Verleihung des Carl Laemmle Produzentenpreises 2022 für ihr Lebenswerk

Ich fühle mich sehr geehrt und bin berührt, dass ich heute hier stehe. Danke der Jury, danke dir, lieber Dieter, für deine Worte. Du bist ein wunderbarer Entertainer. Danke auch der Stadt Laupheim: liebe Erste Bürgermeisterin Wind für den besonderen, warmen Empfang. Danke der Produzentenallianz, dir, lieber Björn für deine Worte. Danke dem ganzen Team für diesen besonderen Abend! Und Dank an die Sponsoren, die dieses Fest hier möglich machen, an Herrn und Frau Rentschler für das schöne Abendessen gestern in ihrem Haus.

 

Danke dir Sherry Hormann, von Herzen, für deinen liebevollen, klaren Blick. Für wunderbare leichte und schwere Filme – wir haben 9 Filme zusammen gemacht – in denen großartige Schauspieler:innen leuchten: Nadja, du bist leider Corona krank und heute nicht hier, du stehst ganz vorne mit deiner unbändigen Energie und Leidenschaft, deinem Talent.

 

Ich bin stolz zum Reigen der bisherigen Preisträger dazuzustoßen, zum erfolgreichsten Katastrophenfilmer in Hollywood, dem Schwaben Roland Emmerich, zum Magier Stefan Arndt, zur großen Regina Ziegler, eine der wenigen Frauen, die erfolgreich über Jahrzehnte ohne Konzernstrukturen operiert. Und dem Visionär und großen Förderer von Nachwuchstalenten, Nico Hofmann. Mit ihm habe ich kleine und große Filme für und mit Teamworx geschrieben und produziert.

 

Carl Laemmle, der Laupheimer in Hollywood, war Seiteneinsteiger, war Gründer der Universal Studios, auf dem Land einer Hühnerfarm.  Was kaum einer weiß: er hat innovativ für die Gleichberechtigung gekämpft, Jahre bevor Frauen überhaupt wählen durften, mit Kinos nur für Frauen, damit die mal allein aus dem Haus durften.  In den 30igern hat er Laupheimer Jüdinnen und Juden zur Flucht verholfen, bis die Nazis das unterbunden und ihn mundtot gemacht haben. Laemmle, das ist eine Legende, zugleich eine deutsch-jüdische Geschichte, die Vergangenheit immer erneut in die Gegenwart holt.

 

Ich hab keine Studios und schon gar keine Filmstadt gebaut. Ich bin auch nicht, was viele heute noch mit dem Bild des Produzenten verbinden: Ein weißer Mann, der Zigarre raucht und auf einem großen Sack Geld sitzt, das er nach Gutdünken verteilt.

 

So was wie mich nennt man heute neudeutsch creative producer, creator und Showrunner. Mich gibt es nicht ohne meinen Mitkämpfer:innen, Wegbegleiter:innen:

 

Danken möchte ich hier vor allem Solmaz Sohrabi, die seit vielen Jahren mit mir, neben mir und für mich die Dinge rockt und bewegt, die sich täglich vor uns auftürmen, u.a. „Tödliche Geheimnisse“ und die Dokumentation „Wirecard – Die Milliarden Lüge“, das, vor allem, ist auch sie. Ohne Mimi Klein wäre ich im COVID Jahr bei ZERV und Mutter kündigt untergegangen. Danken möchte ich Kerstin Schmidbauer, Amelie von Kienlin, Justyna Müsch und vor allem Sophie von Uslar, die viele Jahre mit mir wichtige Filme betreut hat: u.a. Operation Zucker und Mitten in Deutschland – NSU. Gerade bei diesen Produktionen geht mein spezieller Dank auch an großartige Frauen, die fördern und ermöglichen: Ohne Bettina Reitz, und ohne Christine Strobl, ohne Martina Zöllner und Barbara Buhl wären die NSU Trilogie und Operation Zucker jemals entstanden, ihr habt diesen Filmen Schutz und den nötigen Raum gegeben. Danken möchte ich hier auch Quirin Berg und Max Wiedemann, die mir immer Freiheit und Unterstützung gegeben haben und Jan Mojto, der bei fast allen meinen Filmen immer unterstützt und geholfen hat, angefangen bei der „Flucht“.  Nicht zu vergessen Joachim Kosack.

 

Ich bin Seiteneinsteigerin, komme vom Schreiben. Bin beim Film gelandet, weil ich mit Stauballergie bei einer Historikerkarriere nie weit gekommen wäre. Und immer erzählen und Fragen stellen und diese mit vielen, vielen Zuschauern teilen wollte.

 

Das ist mir gemeinsam mit vielen von Euch, und ich kann nur einige nennen: liebe Sherry, lieber Rainer Kaufmann, lieber Hans Steinbichler, lieber Stefan Krohmer, lieber Jo Baier, lieber Kai Wessel, lieber Alex Dierbach, liebe Mimi Kezele, lieber Roland Suso Richter, lieber Michael Krummenacher, lieber Christian Schwochow, lieber Züli Aladağ, lieber Florian Cossen, liebe Barbara Kulcsar, lieber Dustin Loose millionenfach gelungen. Nicht zuletzt durch eure Recherche und Phantasie lieber Rolf Basedow, lieber Thomas Wendrich, liebe Laila Stieler, liebe Kim Zimmermann, liebe Ina Jung, lieber Friedrich Ani, liebe Ariela Bogenberger. Hinzu kommen wunderbare DoPs, wie Morten Søborg, Holly Fink, Hanno Lentz, Armin Golisano oder Clemens Baumeister, Production Designer wie Knut Loewe, Tilman Lasch, Frauke Firl, Komponist:innen wie Fabian Römer und Martina Eisenreich, Maskenbildner:innen wie Jeanette Latzelsberger. Gute Filme sind nur so gut wie wir alle zusammen.

Danke auch Euch, die ihr die Filme nach außen tragt, ich nenne hier von vielen herausragenden Talenten und Stars, dich, liebe Senta Berger, lieber Friedrich von Thun, liebe Barbara Auer, lieber Oliver Masucci, lieber Heiner Lauterbach, liebe Henriette Confurius, lieber Jonathan Berlin, liebe Anna Maria Mühe, lieber Raine Bock, lieber Alex Held, liebe Nina Kunzendorf, liebe Martina Gedeck, liebe Jördis Triebel, lieber Thorsten Merten, lieber Fabian Hinrichs, und immer wieder dich, liebe Nadja.

 

Mein Weg war immer learning by doing, ist es heute noch! Täglich lerne ich dazu. Ich hatte viel Glück und, als ich in den 80zigern von der Uni zum Film kam, rein männliche Förderer, Gatekeeper, die mir Türen geöffnet, mir vertraut und mich haben machen lassen, obwohl ich das an keiner Filmschule studiert hatte, Frauen beim BR damals nicht mal die Nachrichten lesen durften, weil sie nicht glaubwürdig seien, und ich beim Geburtstag des Intendanten Scharf in meiner neuen Funktion als Fernsehfilmchefin Ende der 90ziger von einem der Anwesenden gefragt wurde, was ich denn, ohne Getränketablett, auf dieser Männer Party mache. Dietrich von Watzdorf und Bernd Burgemeister waren meine ersten Mentoren. Jan Mojto kam als Unterstützer sehr bald dazu, Nico Hofmann, Carl Bergengruen. Gabriele Pfennigdorf und der FFF ebenso wie Andreas Schreitmüller von arte haben immer geholfen, bei den großen Events und den kleinen Filmen, die kaum finanzierbar waren. Kirsten Niehuus vom MBB und Petra Müller von NRW gehören dazu.

 

Seit ich das mache, und das ist 40 Jahre her, hat sich die Welt entscheidend geändert. Schön, dass es inzwischen so viele Produzent:innen und Autor:innen und langsam auch mehr Regisseur:innen gibt. Mit Auftraggeber:innen wie Christine Strobl, Martina Zöllner, Jana Brandt, Reinhold Elschot, Frank Zervos und Marcus Ammon, mit dem support und Vertrauen von Redakteur:innen wie Caroline von Senden und Solveig Cornelisen, Manfred Hattendorf, Claudia Luzius, Stephanie Heckner, Claudia Simionescu, Beate Bramstedt, Katharina Dufner, Frank Tönsmann und Julia Jaensch hatte und habe ich Mitkämpfer:innen und „partner in crime“ oder besser „in action“, ohne die wir als kreative Macher:innen nicht existieren. Bettina Reitz und die HFF und ihre Nachwuchstalente, Merle Grimme ist heute Abend extra angereist, sind wunderbare Unterstützer:innen meiner Arbeit, ebenso wie die Drehbuchwerkstatt, aus der jährlich neue Talente in unsere Filmwelt finden. Danke euch allen.

 

Ich liebe meine Arbeit. Immer schon. Es ist Leidenschaft und Auftrag, mein „call“. Ich arbeite deswegen vielleicht auch zu viel. Aber ich bessere mich. Phasenweise zumindest.

Meine Kinder Antonia und Philip sind heute Abend hier: Ich möchte euch von Herzen danken, dass ihr eure working mum genommen habt, wie ich bin. Ihr wisst, ich liebe euch über alles, auch wenn ihr am Hockeyplatz z.B. oft warten musstet, weil ich noch telefonierend im Auto saß. Oder ihr Samstag Vormittage in der Metro, auf dem Baumarkt verbracht habt, weil eure Eltern unter der Woche keine Zeit hatten. Ihr seid nicht unter der Brücke gelandet, was einige mir damals prophezeit haben, im Gegenteil: Ich bin sehr stolz auch euch. Eure Haltung, Eure Eigenwilligkeit, Unabhängigkeit und Gestaltungskraft. Ich bin glücklich, dass wir immer noch gemeinsam regelmäßig zusammen Ferien machen. Inzwischen mit zwei wunderbaren Enkeln. Dabei frage ich mich heute, wie ich das damals jemals hingekriegt habe, mit einer kleinen Großfamilie, zwei eigenen, zwei Beutekindern, Au-pairs. Dazwischen saßen am Küchentisch Autor:innen, Regisseur:innen, mit denen ich entwickelt, geschrieben oder

Drehs vorbereitet habe. Aus meiner Sicht war das immer geordnetes Chaos, durch strenge Priorisierung. Es war immer eine Herausforderung, für alle. Danke, dass ihr so oft gewartet und das ertragen habt.

 

Für mich gab es nie die Alternative Familie oder Beruf. Und das predige ich auch immer wieder allen jungen Frauen, die mich umgeben. Verzichtet niemals auf Kinder und Familie! Egal, wie anstrengend und wie scheinbar unabwendbar meine beruflichen Aufgaben waren, meine Familie hat mich immer wieder auf den Boden geholt, mich geerdet. Ihr sind ein riesiges glückhaftes Energie-reservoir. Mimi Klein, mit der ich ZERV und THE LOVE EUROPE PROJECT produziert habe und mit der ich gemeinsam jetzt Merle Grimmes Film CLASHING DIFFERENCES realisiere, ist trotz 2 Kindern heute aus Berlin angereist. Danke, Mimi.

 

Als Rausschmeißer im Trailer habe ich „Fliegen mit dir“ gewählt, eine kleine Hommage an dich Friedrich und an Senta für die schönen Filme, mit denen wir viele Millionen Menschen unterhalten haben. Der Song ist auch Sinnbild für das, was kreative Arbeit im besten Fall sein kann: gemeinsam zu fliegen. Abzuheben. Dem geht oft ein langer Prozess des Suchens und Zweifelns, oft auch der Erschöpfung voraus. Überwinden kann man diese Hürden nur, wenn alle eine gemeinsame Vision verbindet. Ich bin dann Taktgeber, gebe die Richtung vor mit wunderbaren Partner:innen wie Solmaz oder Mimi neben mir.

 

Es ist ein spiritueller Pakt, den wir alle zusammen eingehen. Hohe Anspannung und Energie. Jeder macht mehr als einen Job. Alle wachsen über sich hinaus, und plötzlich kann man gemeinsam fliegen.

Wir sind damit Brückenbauer, verbinden Welten, reißen Türen auf, geben Einblicke in Welten, die im Dunkeln liegen, es geht um neue Blicke, um Neugier, mit der wir die Zuschauer anregen können, selber nachzuforschen und doch mal anders und neu zu schauen.

Film ist Wirtschaftsgut und zugleich Kulturgut und im besten Fall Film-Kunst. Dafür gibt es kein abrufbares Regelwerk. In unserer Branche ist nichts skalierbar. Bei jedem Film fängst du mit einer neuen Idee an. Sozusagen bei null. Erklimmst du einen neuen Berg, erneut von ganz unten. Und weißt nie, wie weit der Weg ist. Das jagt jedem außerhalb unserer Branche Angst und Schrecken ein. Auch innerhalb der Branche manchmal.

 

Mit Sätzen wie: Das hamma noch nia so gmacht. Oder das machen wir immer so, ist man am Ende, bevor man anfängt: Fehler, Scheitern, Irrwege, Umwege, alles, was man wie die Pest meiden will, gehört bei uns zum Tagesgeschäft. Demut und Verantwortung auch. Die Schuldigen sind nicht immer die anderen. Man muss bei sich selbst anfangen: Was hab ich falsch gemacht, wo hab ich die Weichen falsch gestellt.

 

Patricia Schlesinger hat es auf dem Produzententag letzte Woche in Berlin sehr klar formuliert: Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat dann eine Chance, wenn es aus der zunehmenden Reglementierung ausbricht. Bei den Streamern ist es nicht anders. Kunst braucht Freiheit für Erfolg. Zu viele Vorgaben und Sicherheitsnetze ersticken ihn. Wir sind eine schnell wachsende kreative Branche, die mit rasant sich verändernden Parametern umgehen muss. Unsere Branche boomt. Preise explodieren: mit gleichbleibenden Budgets können wir da nicht länger operieren, ohne massiv Form und Inhalt zu beschneiden.

 

Und sonst: Akzeptiert keine Etikettierungen, keine Schubladen. Schon gar nicht von Sendeplätzen. Entwickelt und lasst neue Formate zu. Es gibt nicht altes und junges Programm, es gibt nur gutes und schlechtes. Es gibt auch keine Regel, dass es kein Genre-Mix geben darf. ZERV ist historisch, komödiantisch, dramatisch und ein Krimi. Und hat dennoch viele, viele Menschen erreicht und begeistert.

 

„Out of the box“, das ist der Weg.

Deswegen: Never take no for an answer. Never. Und traut Euch.

 

Bildung ist immer Unterhaltung, bei der Information und im Film, sonst funktioniert sie nicht. Bleibt nichts hängen. Das wissen wir aus der Schule, wenn ein Lehrer langweilig ist, hört keiner zu. Deswegen lassen sich Unterhaltung und Bildung nicht voneinander trennen. Und gesetzlich verordnen schon gar nicht. Unterhaltung, gute Unterhaltung, ist dabei immer auch Haltung.

 

Wir sind damit Brückenbauer, verbinden Welten, reißen Türen auf, geben Einblicke in Welten, die im Dunkeln liegen, es geht um neue Blicke, um Neugier, mit der wir die Zuschauer anregen können, selber nachzuforschen und doch mal anders und neu zu schauen. Dafür müssen wir Grenzen überschreiten, experimentieren, neue Wege gehen. Und die sind niemals zementiert, sondern immer ungewiss. Nicht Angst, sondern Zuversicht und Hoffnung und immer auch der Blick auf die entgegengesetzte Perspektive, den Antagonisten, können helfen, die wachsenden Barrieren und Lagerbildungen einzureißen, die unsere Demokratien zunehmend gefährden. Das wäre auch beim Krieg in der Ukraine wichtig: Sich nur für kurz auf den Stuhl des schrecklichen Aggressors zu setzen: Stefan Aust hat schon 2014 bei Putin auf das Versailles-Syndrom hingewiesen. Wir müssen die Gefahren ernst nehmen, die das Leben von Millionen unschuldigen Menschen betreffen. Lasst uns für unsere Freiheitswerte und den offenen Diskurs gemeinsam kämpfen. Ganz im Sinne von Carl Laemmle!

 

Ich danke Euch.

 

12. Mai 2022, Laupheim