Ehrenpreis – Prof. Dr. Karola Wille

Preisträgerin des Carl Laemmle Ehrenpreises 2023
Prof. Dr. Karola Wille

Dieser Preis ist nach einer Persönlichkeit benannt – einem Vordenker, einem Anpacker, einem besonnenen Menschen; jemandem, der einen herausragenden Geschäftssinn mit einer großen Leidenschaft für sein Geschäftsfeld verband. Darum wird jährlich dieser Preis an hochverdiente Produzentinnen und Produzenten verliehen, ohne die der deutsche Film nicht so erfolgreich werden könnte. Und trotzdem können Produzenten und Produzentinnen nicht alles allein schaffen – sie brauchen Partner, die mit ihnen die Innovation anstreben. In Frau Professor Wille hat die Produzentenallianz eine großartige Partnerin gefunden, die mit einem unverstellten Blick stets auf die Herausforderungen und Nöte der deutschen Produktionswirtschaft eingegangen ist. Darum ist es eine Ehre, sie heute im Namen der Produzentenallianz als erste Nicht-Produzentin mit dieser Sonderauszeichnung des Carl Laemmle Ehrenpreises zu würdigen.

Ihre wissenschaftliche Laufbahn führte sie zunächst an die Universität Leipzig, wo sie von 1986 bis 1991 als wissenschaftliche Assistentin am Institut für Internationale Studien tätig war. Besonders bemerkenswert in ihrer Biografie ist ihre erste Begegnung mit freien Medien. Im Rahmen eines Forschungsauftrags zu Medienordnungen in Westeuropa, Teil des UNESCO-Projekts ‚Neue Kommunikationsordnung‘, erhielt sie 1986 die Möglichkeit, westliche Literatur in der deutschen Bücherei in Leipzig zu studieren. Diese Erfahrung prägte nachhaltig ihre Erkenntnisse über die Rundfunkfreiheit als essenzielles Freiheitsrecht zur freien Meinungsbildung. Es wurde zu ihrem Credo, am Aufbau einer freien Medienordnung mitzuwirken und diese gegen Versuche der Einflussnahme durch Politik zu verteidigen.

 

Kurz nach der Wiedervereinigung fand sie ihren Weg zum Mitteldeutschen Rundfunk, dem sie seit nunmehr über dreißig Jahren die Treue gehalten hat und bei dem sie – im Sinne Carl Laemmles – hohe Professionalität mit viel Leidenschaft für ihre Arbeit paarte. Ab 1991 wirkte sie zunächst als 1. Referentin der Juristischen Direktion, deren Leitung sie schließlich 1996 übernahm. Sie formte aus dem MDR einen beliebten und in der Region tief verankerten Sender, und seit dem Beginn ihres Engagements waren ihr die guten Beziehungen des Senders zu den regionalen Produzentinnen und Produzenten besonders wichtig. Ihre herausragende Führung führte sie im Oktober 2011 an die Spitze des MDR, als sie zur Intendantin gewählt wurde. Diese Position übte sie seither aus und war in den Jahren 2016 und 2017 gleichzeitig ARD-Vorsitzende.

 

Als Resultat einer schieren Protokollnotiz der Länder zu fairen „Terms of Trades“ zwischen der Produktionswirtschaft und den Sendern ergriff die ARD die Initiative und begann 2013 erste Gespräche mit der Produzentenallianz, um faire Produktionsbedingungen auszuhandeln. Als Filmintendantin trieb sie diese Gespräche voran, erzeugte mit Nachdruck und Geduld Akzeptanz auch im Verbund aller ARD-Rundfunkanstalten und sorgte erstmals für einen konstruktiven Dialog zwischen der Produzentenschaft und der ARD.

 

Im Zuge dieser Gespräche entstanden 2013 die „ARD-Eckpunkte für ausgewogene Vertragsbedingungen und eine faire Aufteilung der Verwertungsrechte bei Produktionen für die Genres Fiktion, Unterhaltung und Dokumentation“ als Meilenstein im Verhältnis zwischen ARD und Produzentinnen und Produzenten. Hinzu traten u.a. „Die Eckpunkte für die Zusammenarbeit zwischen ARD-Rundfunkveranstaltern und den Produzenten“ im Juni 2018 sowie die „Eckpunktevereinbarung über die vertragliche Zusammenarbeit zu Film/ Fernsehgemeinschaftsproduktionen und vergleichbaren Kino-Koproduktionen“ im Mai 2019. Die ARD-Eckpunkte und das gemeinsame Engagement für die Selbstverpflichtung zwischen ARD und Produzentenallianz konnten auch die KEF überzeugen, Programmsondermittel im dreistelligen Millionenbereich freizugeben und somit einen großen Beitrag zur Steigerung der Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu leisten.

 

Die Etablierung von Jahresgesprächen zwischen der ARD und der Produzentenallianz schuf eine verlässliche und fruchtvolle Arena, in der unzählige kleine Probleme gelöst werden konnten, das Monitoring der ARD-Eckpunkte sichergestellt wurde und das gegenseitige Vertrauen wuchs. Im Jahr 2015 führte dies zur Einführung des Schichtenmodells, für dessen Anwendung sie sich bei den einzelnen Sendeanstalten stark machte; 2017 wurde der Kalkulationsrealismus umgesetzt und immer wieder auf neue Herausforderungen wie z.B. die Green Production angepasst. Es war ihre Geduld, Vehemenz, Sachlichkeit und Mut zum konstruktiven Streit, die eine stabile Partnerschaft der mittelständischen Produktionsunternehmen und der ARD ermöglichten. Beide Seiten haben sich dabei stets auf die Verbesserung des Programms und die Zukunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fokussiert.

 

Frau Prof. Wille hat wahrhaft Visionäres geleistet: Sie hat die Produzenten nicht als „verlängerte Werkbank“ der Sender verstanden, sondern als Quelle gegenseitiger Innovationskraft, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seine Legitimationsbasis ebenso stärkt wie die Wertschöpfung des Produktionsmarktes auch und gerade im europäischen Wettbewerb. Augenhöhe war bei ihr keine leere Phrase, sondern entsprang einer tiefen Überzeugung, dass Produzenten und Rundfunk eine programmfruchtbare Symbiose eingehen, wenn die richtigen Weichen gestellt und die richtigen Rahmen gesetzt werden. Sie wurde damit zur produzentischsten Intendantin oder umgekehrt wichtigste Intendantin mit Produktionsweitblick in Deutschland.

 

Ihre zugewandte Art und ihre unerschöpfliche integrative Kraft, mit der sie die Interessen der Sender und der Produzentinnen und Produzenten ‚unter einen Hut‘ zu bringen vermochte, haben nicht nur den Mitteldeutschen Rundfunk, sondern die gesamte Produktionswirtschaft nachhaltig geprägt: Ihr Einsatz für die Belange mittelständischer Produktionsunternehmen, ihre visionäre Sicht auf eine vielfältige Produzentenlandschaft und ihr unerschütterlicher Einsatz für den deutschen Film sind Inspirationsquelle und Vorbild für uns alle.

 

Durch ihre beharrliche Arbeit hat sie nicht nur Strukturen geschaffen, sondern auch Brücken zwischen verschiedenen Interessengruppen gebaut. Sie hat gezeigt, dass Dialog und Zusammenarbeit die Grundpfeiler einer erfolgreichen Medienlandschaft sind. Für all diese herausragenden Leistungen, für ihr Engagement, ihre Vision und ihre Durchsetzungskraft gebührt ihr unsere tiefste Anerkennung und Dankbarkeit.

 

Mit großer Vorfreude und großem Vertrauen blickt man – blicken wir! – in die Zukunft, insbesondere auf ihre kommende Arbeit bei der Filmförderungsanstalt. Man ist überzeugt, dass ihre Präsenz und Expertise einen nachhaltigen Beitrag zur Weiterentwicklung und Förderung des deutschen Films leisten wird. Hoffentlich wird sie dabei an unsere Wertschätzung und unsere Dankbarkeit erinnert und angehalten, weiterhin mit Erfolg und Leidenschaft die kreative Innovation zu pflegen.